1. Und das alles wegen einem bisschen verrottetem Grünzeug …

»Irgendwann gehörte das Saarland mal zu Frankreich …, irgendwann gab es mal eine Abstimmung …, heute gehört das Saarland zu Deutschland« – nicht ganz falsch, aber auch nur die halbe Wahrheit: Die Geschichte vom »Land dazwischen« ist länger, spannender und vor allem auch wunderlicher und skurriler als die meisten denken. Es kommen darin vor: Übersinnliche Erscheinungen, eine Abhöraffäre, Pfälzerwitze, ein kleines gallisches Dorf, eine Fußball-WM sowie ziemlich viel Randale, Mord und Totschlag. Außerdem: Julius Cäsar, Helmut Schön, Berthold Brecht, Ludwig XIV. und natürlich auch »de Joho« un »de Oskar« […]

Früher Saarländer
Früher Saarländer

Ein Naturphänomen sorgt für ziemliche Aufregung unter den Saarländern. Und Julius Cäsar hat Ärger mit einem saarländischen Asterix …

Auch diese Geschichte nimmt ihren Anfang vor ziemlich langer Zeit, nämlich vor 300 Millionen Jahren (vgl. meinen Artikel über Bozen). Zu jener Zeit versinken abgestorbene Pflanzen in den Sümpfen der tropischen Regenwälder des Saarlandes (das natürlich erst viel später unter diesem Namen bekannt werden sollte); sie versinken immer tiefer, werden erst zu Torf, dann zu Braunkohle, schließlich zu Steinkohle.

Ohne dieses Naturphänomen wäre das Saarland für die Mächte Europas ungefähr so interessant gewesen, wie es das heute ist: nämlich überhaupt nicht. Das schwarze Gold jedoch lieferte die Energie für die Stahlproduktion und aus Stahl wurden Waffen gefertigt und Waffen verhießen Macht. Doch bis es soweit kommen sollte, hielt noch so manches andere historische Ereignis die Saarländer in Atem …

Julius Cäsar und die Saarländer

Julius Caesar
Julius Cäsar: Immer Huddel mit den Bel…Saarländern

Wir befinden uns im Jahre 54 v. Chr.: Ganz Gallien (und damit auch das Saarland) ist von den Römern besetzt. Nur ein unbeugsamer Gallier hört nicht auf dem Eindringling Widerstand zu leisten: Der Stammesfürst Indutiomarus, wohnhaft im nördlichen Saarland, bei Otzenhausen. Wobei allerdings weniger von einem kleinen gallischen Dorf zu reden ist, als von einer großen gallischen Festung, von der aus unser saarländischer Asterix den Kampf gegen die Römer organisiert.

[su_box title=“Gallier, Kelten, oder was?“ box_color=“#ececec“ title_color=“#000000″]Also, wenn die Gallier im Saarland lebten, wer waren dann die Kelten, von denen immer die Rede ist? Ganz einfach: Die Kelten lebten zu jener Zeit in ganz Westeuropa, also westlich des Rheins und auf den britischen Inseln. Die Römer nannten nun jene Kelten, die so ungefähr im Gebiet des heutigen Frankreichs lebten, »Gallier«. Also sind alle Gallier auch Kelten, aber nicht alle Kelten Gallier. Und da das Saarland eben zu Gallien gehörte gilt für die Saar: Kelten=Gallier. Alles klar?[/su_box]

Wie allgemein bekannt, ist ganz Gallien nicht nur besetzt sondern auch geteilt, nämlich in drei Teile. Da ist es kaum verwunderlich, dass von den drei Teilen (laut Cäsar) just die Provinz »Belgica«, zu der das Land an der Saar gehört, von den tapfersten gallischen Stämmen bewohnt wird (vgl. Cäsar »De bello gallico« bzw. Gosciny/Uderzo »Asterix bei den Belgiern«). Dennoch wird Indutiomarus von Cäsars Truppen in die Falle gelockt und besiegt (vgl. wiederum Cäsar: »De bello gallico«).

Die Römer lassen sich an der Saar nieder, errichten diverse Villen und Festungen, gründen Ortschaften und machen die Einheimischen mit der Kunst des Weinbaus bekannt. Die Saarländer zeigen sich (nicht zum letzten Mal in der Geschichte) anpassungsfähig und nehmen die Kultur und Sprache ihrer Eroberer an. Noch bis ins Mittelalter gibt es an der Saar Siedlungen der Gallorömer, die das mit dem Lateinischen verwandte Moselromanisch sprechen.

[su_box title=“Ein saarländischer Obelix “ box_color=“#ececec“ title_color=“#000000″]

Gollenstein
Obelix was here (Foto: Christoph Bubel)

Es gab nicht nur einen saarländischen Asterix, sondern anscheinend auch einen saarländischen Obelix. Sein Zeuge ist der Gollenstein bei Blieskastel, Europas größter Hinkelstein. Doch der Saar-Obelix und der Saar-Asterix sind sich nie begegnet: Zu Indutiomarus’ Zeiten ist der Gollenstein nämlich schon ein 2000 Jahre altes historisches Monument. Das steinzeitliche Volk, das ihn errichtet hat, ist im Nebel der Geschichte verschwunden …
[/su_box]

Lesen Sie in der nächsten Folge am 24. April: »Ein Land dazwischen«

19 Gedanken zu „1. Und das alles wegen einem bisschen verrottetem Grünzeug …“

  1. Hi Zippo,

    schöne Seite! Da wird dem Exilsaarländer ganz warm ums Herz, wenn er mal was über die Alte Heimat lesen darf. 🙂 Ich bin zur nächsten Folge wieder hier.

    Gruß

    Wolfgang

  2. Eine überaus geistreiche und entspannende Auseinandersetzung mit dem alten Zankapfel Saarland. Das versüßt den Alltag im Polit-Sumpf des Landes ungemein.

    Jürgen Krewer
    Herausgeber Politik-Saarland.de

  3. Im SPIEGEL 8.9.2008 wird einmal mehr Deux-Ponts/Zweibrücken als SAARLÄNDISCHE Stadt ausgegeben. Foglich wäre ein „Malgré Nous“, ein SAARLÄNDER in Afghanistan für Deutschland gefallen!
    Vielleicht wollen die Deutschen damit nur beweisen, dass Schluss ist mit „Saarfranzosen“ und anderen Honeckers, und dass Deutsch ist die Saar, mindestens ebenso deutsch wie die anderen neuen Bundesländer (wird ja auch Zeit!).
    Ou bien quel serait le message caché de nos voisins d’Outre-Rhin?
    A vos plumes, prêt, partez!

  4. Je vous conseille la lecture de mon livre
    Cinq mots forts de la propagande nazie
    Il traite du plébiscite du 13 janvier 1935.
    Et de la vie des SARROIS

  5. Zippo ein Opfer der Bonner Germanisierungspolitik? Ich habe ein Buch über den rheinischen Autonomismus und ein anderes über den Sprachenkampf an Deutschlands Westgrenzen geschrieben. Bitte googeln unter meinem damaligen Doppelnamen „Harry R. Wilkens-Weyland“. Allerdings ist es seit rund 30 Jahren vergriffen und nur u.a. in der Bibliothèque Nationale in Paris einsehbar…

  6. Schade , ich hätte gerne die beiden Bücher von Harry gelesen.
    Wäre Harry bereit sie über Internet zugänglich zu machen? Oder ist eine Neuauflage vorgesehen ?

  7. Désolé, je n’en ai gardé qu’une seule copie de chacune de ces 2 brochures de 32 pages chacune – et puisque cela date d’avant l’ère informatique, cela n’existe pas sous WORD. Cependant, en abîmant un peu ces 2 brochures (en allemand, d’ailleurs), je pourrais les scanner. Ce serait une solution. Donc 2 fois 32 pages (en fait 2 fois 16 „double-pages“). Peut-être à PAU s’en trouve 1 copie, car à l’époque le prof. Guy Héraud en avait reçu un exemplaire…

  8. Nach nochmaliger Durchsicht gibt es die folgenden Möglichkeiten:
    1) Sie finden den Nachlass von meinem Freund Guy Héraud
    2) Ich scanne die beiden dt. Broschüren für SARRELIBRE ein
    3) Ich scanne nur das frz. maschinenschriftl. Manuskript von AUTONOMIE ein
    4) Ich scanne eine maschinenschriftl./gedruckte Collage (Zusammenschluss) beider dt. Broschüren ein, von mir extra illustriert (Karten), aber nicht sehr präsentabel.
    Die Lösungen 3 und 4 hatte ich damals für den Fall vorbereitet, dass das AUTONOMIE-Buch von einem frz. Verlag herausgegeben wird, und dass beide Broschüren in einem Buch vereint von einem dt. Verlag herausgegeben werden.

    Es bestünde noch die Notlösung, dass ich Ihnen beide dt. Broschüre nach PAU leihweise schicke. Mir dann bitte Postanschrift mitteilen.

  9. Haben Sie vielen Dank.
    Sobald der Scan zugänglich ist lade ich ihn herunter. Falls es nicht geht , würde ich mich freuen sie in Pau lesen zu können und evt. zu fotokopieren. Natürlich ersetze ich die Portokosten. Vielen Dank.
    R. KEYSERS

  10. Aus meiner eigenen Schulerfahrung kann ich sagen, dass der Satz „Im Geschichtsunterricht an den saarländischen Gymnasien kommt beispielsweise das eigenständige Saarland nicht vor.“ stimmt.

    Viele Grüße von Zippo!

  11. Im Saarland jetzt mehr Turkophone als Frankophone!!! Eine Schande ist das! Eben habe ich im SPIEGEL vom 26.1.09 zwischen den Zeilen gelesen, dass dies so ist. Also lieber eine türkische Sarrelibre-Webseite aufmachen, mit viel regerer Beteiligung!

  12. „Im Saarland jetzt mehr Turkophone als Frankophone!!!“

    Die Meldung ist wenig sensationell, dann es gibt schon seit fast 60 Jahren im Saarland mehr Italophone als Frankophone und Turkophone zusammen. Warum das so ist, hängt mal wieder mit der speziellen Geschichte des Saarlandes zusammen und wird in Bälde an dieser Stelle erörtert werden.

    Viele Grüße von Zippo!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert